Was hat Tanzen mit Theologie zu tun? Viel!
Im europäischen Gesellschaftstanz schweben Mann und Frau gemeinsam übers Parkett. Die Führende Person (meist Herr) animiert die Geführte (meist Dame) durch gekonnte Impulse zu atemberaubenden Drehungen. Im Rock’n’Roll katapultieren sich die Partner sogar gegen die Erdanziehungskraft in luftigen Höhen. Und selbst beim Freien und flexiblen Disco-Tanz gibt meist eine Person Bewegungen vor, auf die andere reagieren und sich gegenseitig abstimmen. Führen und geführt werden ist ein elementarer Bestandteil des Tanzens (komplett egozentrisch freier Tanz mal ausgenommen).
Wenn ich (z.B. bei einer Tanz-Freizeit) über Führung nachdenke, merke ich, dass ich mein Gottesbild sehr gut in diesem Miteinander von Mann und Frau wiederfinde. Der Mann hat eine Raumorientierung, hört den Rhythmus und leitet seine Tanzpartnerin zu Bewegungen an, die zum vorhandenen Raum, der Musik und der Gesamtsituation passen. Die Frau ist also in dem Bild der Mensch. Sie wird nicht versklavt, nicht darauf festgelegt bestimmte Bewegung zu machen, aber wird durch sensible Impulse, Vorgaben und eine – mal stärkere mal schwächere – Leitung in Bahnen gelenkt, die für sie und die Gemeinschaft am Besten sind. Innerhalb dieses Rahmens kann sie sich frei entfalten, kann einen eigenen Stil entwickeln und den Tanz durch ihren Charakter individuell prägen. Aber sie tut gut daran, sich auf die Führung einzulassen und dem Führenden zu vertrauen.
Wenn man den Mann beim Tanzen mit Gott vergleicht, wird klar, dass Gott nicht im luftleeren Raum nach Gutdünken handelt, sondern dass auch er in einen Kontext eingebunden ist. Er überblickt, wo Platz ist, welche Bewegugnen auf die Musik passen und was er jetzt einleiten kann, um gleich eine passende Bewegung zu machen. Dabei kennt er Vorlieben und Möglichkeiten der Tanzpartnerin und versucht, sie gut dastehen zu lassen. Denn ein Tanzpartner, der sich nur selber verwirklicht und seine Partnerin blamiert, ist kein guter Tänzer. Wer aber (als Frau) spektakuläre Figuren tanzen möchte, wird schnell merken, dass man sich dafür einem Menschen anvertrauen muss. Nur so kann man schön Drehen oder sogar akrobatisch durch die Luft fliegen. Ohne Vertrauen in den Partner geht das nicht. Ebenso erlebt man auch im Glauben die besonderen Dinge nur, wenn man sich Gott anvertraut und ihn führen lässt.
Tanzen ist ein Sinnbild für die Beziehung zwischen Gott und Mensch. Dass Tanzen dazu auch noch therapeutischen (Körpererfahrung, Gemeinschaft & Abgrenzung) und gesundheitlichen Wert (Muskelaufbau, Gelenkigkeit, Koordination, Gehirntraining) hat, macht es umso wertvoller. Gerade im Alter wird es ärztlich empfohlen und wer frühzeitig grundlegende Schritte und Bewegungen lernt, kann später darauf zurückgreifen.
Nicht umsonst ist der Tanz eine sehr frühe Form menschlicher Kommunikation. Biblische Belege zeigen, dass er als Ausdruck von Freude und Dankbarkeit im Volk Israel fest verankert war und auch in Jesu Gleichnissen wird gefeiert und getanzt, wenn man sich freut (z.B. Ex 15,20, 2.Sam 6,16, Lk 15,25). Eine positive Theologie wird den Lebensgenuss immer über die Abstinenz stellen. Natürlich ist ein zeitweiser Verzicht als bewusste Körperübung oder Fokussierung nicht verkehrt, aber als ganzheitlich gesundes Konzept gehören Freude und körperlicher Ausdruck zusammen. Denn wenn wir Emotionen in Bewegung umsetzen, können wir uns tiefer und ehrlicher ausdrücken als bei rein innerlicher Freude.
Meine Erfahrungen in den letzten 22 Jahren sind, dass Menschen durch den Tanz positiv geprägt werden, Traumata überwinden können, sich körperlich positiv entwickeln, ein sicheres Auftreten und positives Selbstwertgefühl entwickeln und insgesamt eine ausgeglichenere Persönlichkeit werden. Nicht jedem liegt dabei das gleiche und es gibt durchaus auch Menschen, die zumindest dem standardisierten Paartanz den Rücken kehren, weil er ihnen mehr Probleme bereitet als er löst. Das ist OK. Für viele andere werden Beziehungen tiefer und harmonischer, berufliche Stresssituationen leichter zu ertragen und die Gottesbeziehung entspannter, weil man auch zu Fehlern und Unperfektheit stehen kann.
Theologisch gesehen ist Tanzen also sinnvoll und wertvoll für den einzelnen und die Gemeinschaft. Ob und welche Form für jemanden individuell passend ist, kann sich unterscheiden. Wer möchte, dem zeige ich erste Grundschritte in angenehmer Atmosphäre, um mal ganz stressfrei reinzuschnuppern:
Im Mai 2015 in Rotenburg (Fulda), im Oktober in Altenkirchen (Westerwald), im Februar und November im KnüllHouse (Neukirchen). Außerdem regelmäßig im Marburger Unisport und bei Lehrgängen in Rostock und Marburg. Mehr Infos: www.tanz-freizeit.de