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If the thrill is gone, than it’s time to take it back

Der Rocktitan Meat Loaf war einer der bedeutendsten Musiker des letzten Jahrhunderts und hat seit den 1970er Jahren über 100 Millionen Tonträger seiner theatralisch opulenten Rockmusik verkauft. Als letzte Woche seine Todesnachricht durch die Nachrichten ging, habe ich bewusst nochmal das Best-of-Album durchgehört. Faszinierende Musik, die mit lauten Drums, elektrischen Gitarren und einer wuchtigen Stimme Emotionen hervorruft. Zwischen verschiedenen Emotionen kann man sich zu dieser Musik in Extase tanzen und auf angenehme Weise abreagieren. Denn bei Meat Loaf kann man (zumindest ich) nicht ruhig sitzen bleiben.

Als verspätete Homage an den Rocksänger Meat Loaf († 20.1.2022) und musiktherapeutische Analyse meiner Lebens-Situation habe ich mich intensiver mit dem Titel „Everything louder than everything else“ (Album: Bat out of Hell 2, 1993) beschäftigt. Ich empfehle, es beim Weiterlesen im Hintergrund laufen zu lassen.

Es ist ein Lied, das nicht nur musikalisch aktiviert, sondern auch inhaltlich spannende Akzente für ein selbstbestimmtes Leben in einer oft monotonen Welt setzt. Ein wenig wie Julia Engelmann (One day, baby) für Rock’n’Roller…
Meat Loaf (bzw der Produzent Jim Steinmann, der für ihn den Song geschrieben hat) tritt in den acht Minuten Power-Rock in einen Diskurs zwischen Effektivität und Lebenslust. Ich werde mir anhand der Textzeilen die Frage stellen, wie ich in meinen Vierzigern (Meat Loaf war bei der Aufnahme 46) meinen Platz zwischen der unbeschwerten Jugend und dem weisen Alter finde.

Wasted Youth!

Mit dem vorgeschalteten Sprechchor „Wasted Youth“, der später noch öfters ertönt, greift Meat Loaf die vielgeäußerte Kritik der etablierten Gesellschaft an jungen Menschen auf, sie würden ihre Jugend verschwenden mit Partys, Festivals oder anderen unproduktiven Dingen. Ich mag es nicht, den negativ konnotierten Begriff der Ankläger zu verwenden, würde lieber von „zwangloser Jugend“ reden, was auch später besser passt als von etwas verschwendetem zu sprechen. Gleichwohl ist es für die dramaturgische Spannung des Liedes wichtig, gleich zu Beginn die anklagenden Stimmen der gesellschaftlichen Vernunft wahrzunehmen gegen die der Rocksong rebelliert.

I know that I will never be politically correct
And I don’t give a damn about my lack of ettiquette
As far as I’m concerned the world could still be flat
And if the thrill is gone then it’s time to take it back

In unserer Gesellschaft wollen wir es oft allen recht machen, nicht anecken, achten auf Etiquette und politische Korrektheit. So sehr ich diesen Anspruch der inklusiven und nicht diskriminierenden Kommunikation im Umgang mit Minderheiten mag, wird daraus manchmal ein lähmendes Korsett, das Kreativität und Leidenschaft ausbremst. Wo haben wir die Leidenschaft verloren, weil wir zu vielen Regeln gefolgt sind?

Who am I? Why am I here?
Forget the questions someone get me another beer
What’s the meaning of life? What’s the meaning of it all?
You gotta learn to dance before you learn to crawl.

Gerade als Theologe beschäftige ich mich oft mit den großen Fragen. Wer bin ich? Warum bin ich hier? Warum sind Dinge wie sie sind oder wie könnte es anders sein? Diese Fragen haben ihren Wert, aber manchmal muss man einfach mal ein Bier zusammen trinken. Ich teile die Erfahrung, dass man nach einem Glas Bier (oder Wein etc) mitunter offener redet und die wirklich wichtigen Themen auf den Tisch kommen. Wichtig ist also nicht der Pegel, sondern ab und zu entspannt das Leben zu genießen, offen zu reden und zu Tanzen. Tanzen lernen, bevor man elanlos herumkrabbelt, um es allen recht zu machen.

So sign up, all you raw recruits
Throw away those designer suits
You got your weapons cocked, your targets in your sights
There’s a party raging, somewhere in the world
You gotta serve your country, gotta service your girl
You’re all enlisted in the army of the night

Jedes Jahr starten junge Berufseinsteiger voller Elan ins Leben und versauern als Anzugträger in sterilen Büros ohne wirklich zu leben. Irgendwas ist immer los, manchmal bringt man sich gesellschaftlich ein, manchmal kümmert man sich um Partnerschaft oder Familie und manchmal gehört uns die Nacht, wenn wir den inneren Rockstar wach halten. Rollen prägen uns, und wir müssen entscheiden, was unseren Charakter langfristig prägen darf!

And I ain’t in it for the power
And I ain’t in it for my health
I ain’t in it for the glory of anything at all
And I sure ain’t in it for the wealth
But I’m in it til‘ it’s over and I just can’t stop
If you want to get it done, you have to do it yourself

Jetzt wird es doch wieder philosophisch: Warum leben wir eigentlich? Ich bin nicht hier, um Macht zu haben, um lediglich gesund zu bleiben, um irgendeinem System zu huldigen oder reich zu werden, sondern ich koste jeden Moment meines Lebens aus, singt er. Warte nicht auf andere, sondern mach, was für dich dran ist.
Ich würde gerne ergänzen, dass man in sozialen Systemen nicht nur für sich selbst Verantwortung trägt. Aber wenn dieser Gedanke zu stark wird, höre ich: Du musst mit dir selbst leben können – bis zum Schluss. Also sorge dafür, dass bei aller Fürsorge deine Bedürfnisse nicht zu kurz kommen!

And I like my music like I like my life:
Everything louder than everything else

Damit sind wir bei der ersten Kernbotschaft angekommen, die über 30x wiederholt werden wird. Was ich tue, sage, denke, lebe soll lauter sein als das, was mir von außen entgegenschreit, mich klein halten oder kompatibel machen will. Der laute Rocksong setzt perfekt um, was Meat Loaf singt, schreit, fühlt. Ich möchte gehört werden und sein dürfen, wie ich bin! Kontrastiert wird dieser Ruf im Lied immer wieder durch die Kritik der „Wasted youth!“ gegen die er beharrlich ansingt.

They got a file on me that’s a mile long
And they say that they’ve got all of the proof
That I’m just another case of arrested development
I’m just another wasted youth

Wie in einer Polizeiakte haben „sie“ eine kilometerlange Beweisliste: entwicklungsgestört, Jugend verschwendet. Nicht büffeln für das perfekte Abi, den lückenlosen Lebenslauf oder das zuträglichere Praktikum, sondern ein Road-Trip oder Festival-Sommer? Einige nennen das „Vergeudete Jugend“ andere genau das richtige, solange man jung ist?…
Was zählt im Leben wirklich und von wem lässt du dir sagen, wie du leben sollst?

They say that I’m in need of some radical discipline
They say I gotta face the truth
That I’m just another case of arrested development
I’m just another wasted youth

Zugegeben, manchmal tut auch etwas Disziplin gut! Eine angefangene Ausbildung abschließen, auch wenn es nervig wird. Zu einer Beziehung stehen, auch wenn das Arbeit bedeutet. Sich auf einen festen Job einlassen statt von Tag zu Tag zu leben, hat etwas für sich. Aber es hat auch seine Grenzen, immer nur für das höhere Ziel zu ackern statt zu leben.

They say I’m wild and I’m reckless
I should be acting my age
I’m an impressionable child In a tumultuous world
And they say I’m at a difficult stage

Das Partyleben mit 20 wird ja oft toleriert, aber wenn man mit 40 noch auf Studentenpartys geht und das Leben genießt, wird das Verständnis kleiner. Man müsste doch langsam erwachsen werden. Und ja, die Prioritäten haben sich bei mir in den letzten 20 Jahren verschoben. Aber wer definiert eigentlich, was in welchem Alter „normal“ ist? Klar, wenn ein Paar Kinder bekommt, hat man danach 20 Jahre lang ein vorgezeichnetes Leben mit frühem Morgen, Urlaub in den Schulferien und Ausflügen am Wochenende. Lange Kneipenabende, wilde Tanzpartys oder Exzesse passen da nur bedingt. Man darf auch erwachsen werden. Aber wenn man mit 42 keine Kinder hat? Soll man dann leben als hätte man welche, nur weil man älter ist? Oder muss man dann mit den jungen Wilden feiern gehen (falls die trotz Bolognaprozess noch Zeit zum Feiern finden) und zumindest mental jung bleiben? Manchmal habe ich das Gefühl, in einem „komplizierten Alter“ zu sein…

But it seems to me to the contrary
Of all the crap they’re gonna put on the page
That a wasted youth is better by far
Then a wise and productive old age

Auf der anderen Seite schreit mir Meat Loaf sein Credo entgegen. Statt auf den Bericht zu schauen, was alles nicht zu passen scheint, ist in Anlehnung an den biblischen Prediger eine „zwanglose Jugend“ viel mehr wert als ein weises und produktives Alter. Produktiv sein kann ich gut, weise Gedanken machen mich aus, aber schaffe ich es, mir dabei die zwanglose Jugend zu erhalten? Ich mag den schwarz-weiß-Kontrast an der Stelle nicht, eins gegen das andere auszuspielen.
Vielleicht kann man es so sehen: Manchmal muss man vernachlässigte Positionen besonders überbetonen, um sie gleichwertig werden zu lassen. Und je reifer wir werden desto mehr verdrängen wir oft die Lebensfreude. So kann dieses Mantra uns daran erinnern, in aller produktiven Altersweisheit nicht die scheinbar vergeudete Zwanglosigkeit eines unverplanten Lebens zu vergessen. Sie ist in der zweiten Lebenshälfte sicherlich nicht alles, was zählt, aber ich möchte sie mir gerne erhalten. Vielleicht als „wise and productive wasted time“?

If you want my views of history
Then there’s something you should know
The three men I admire most are Curly, Larry, Moe

Wenn man dich fragt, wer die bedeutendsten Menschen waren, wen würdest du nennen? Vielleicht Jesus oder berühmte Theologen, Naturwissenschaftler, Vorbilder, Dichter und Denker, Erfinder und Lenker. Oder eben drei Komiker (The Three Stooges waren Slapstick-Comideans, in den USA ähnlich berühmt wie Laurel und Hardy), die die Welt zum Lachen bringen.
Auch ich finde Loriot, Heinz Ehrhardt oder Monty Python bewundernswert. Wir sollten uns mit Menschen umgeben, die uns zum Lachen bringen.

Don’t worry about the future. Sooner or later it’s the past

Zum Ende des Textkorpus wird es nochmal biblisch: Macht euch keine Sorgen um die Zukunft, sondern vertraut und genießt das Leben. Amen! Wer sich nur um die Zukunft kümmert wird irgendwann merken, dass sie Vergangenheit geworden ist, ohne dass man die Gegenwart gelebt hat.

if they say the thrill is gone then it’s time to take it back …

Hier wäre ein typischer Radiosong (mit knapp 5min schon mit Überlänge) zu Ende. Meat Loaf aber nicht. Er wiederholt in leichter Abwandlung den Aufruf an die junge Elite, sich nicht vom System vereinnamen zu lassen, weil es nicht auf Geld, Macht und reines Überleben ankommt. Kämpfe für das, was dir wertvoll ist! Und lebe so laut, dass andere es mitbekommen, dass dein Leben andere dazu bringen kann, aus ihrem Alltagstrott rauszukommen und ihre eigene Leidenschaft wiederzuentdecken. Sei lauter als der Lärm dieser Welt. Sei länger als Statistiken für den perfekten Song ausrechnen und sei ein Unikat statt Massenware.

Ich will ein lautes Unikat sein und mein Leben so leben, dass es andere zum Nachdenken, zum Genießen und zum Lachen bringt. Ich freue mich, wenn das bereits gelingt und wo ich immer wieder mal den Fokus verliere freue ich mich, wenn mich gute Freunde oder Lieder wie dieses lautstark daran erinnern, mal wieder wild zu tanzen und dem inneren Rock’n’Roll treu zu bleiben!

DisTanz-Party

Tanzen gehen, großer Club, laute Musik, buntes Licht, viele Menschen und sich ganz ungezwungen bewegen. Das scheint aufgrund der Kontaktbeschränkungen gerade nicht möglich zu sein.

Aber ähnlich wie berufliche Team-Meetings und Konferenzen kann man auch Freizeitbeschäftigungen digital realisieren. Natürlich ist es nicht „das Gleiche“. Der Gestank von Schweiß, Rauch und Enge, ist alleine zu Hause nur schwer herzustellen und der körperliche Kontakt, wenn man sich beim Tanzen näher kommt, ist auch auf die Teilnehmer in der eigenen Wohnung beschränkt. Aber man kann sich im Rahmen einer Privatveranstaltung mit 20-30 Personen zumindest optisch wahrnehmen, kann sich gleichzeitig zur gleichen Musik bewegen und dabei mental abschalten. Und das ist oft schonmal einiges.

Die nächste DisTanz-Party feiern wir am FREITAG 7. 5. 2021:

https://us02web.zoom.us/j/82586359797?pwd=VUMrNjd2MXo5aTd5YVR1cGkxVGtqdz09
Bzw. Meeting-ID: 825 8635 9797, Kenncode: distanz

Was brauchst du, um dabei zu sein?

  • Ein Computer mit installierter Zoom-Software (ein Account ist nicht nötig) und ordentlichen Lautsprechen für Discosound.
  • Freifläche zum Tanzen (so viel eben geht)
  • Webcam, die dich beim Tanzen zeigt
  • buntes Blinklicht, um die Atmosphäre zu prägen (einfach mal „Discolicht kaufen“ googeln). Für 20-30 EUR bekommt man schon was passendes.
  • Snacks und Getränke nach eigenem Gusto

Die Musik bereite ich für den Abend als Playlist vor, die ich als Audiospur über Zoom teile. So hören alle die gleiche Musik und am Abend steht das Tanzen im Vordergrund.

Damit die Nachbarn geschont werden, ist die Party auf 20-22 Uhr angesetzt, denn zum Tanzen braucht man schon eine gewisse Lautstärke. Wer nach 22 Uhr noch zusammen bleibt, muss selber einschätzen, wie laut die Musik noch spielen darf. Wichtig ist, dass es sich bei dem Treffen nicht um eine öffentliche oder kommerzielle Veranstaltung handelt, sondern um eine Privatveranstaltung von Karsten Kopjar und seinen Freunden. Quasi als würden wir uns in meinem Wohnzimmer treffen, nur eben dezentral. Wer Freunde mitbringen/einladen will, die sich benehmen können, darf das gerne tun. Sollte jemand versuchen, die Party zu stören, werden sie rausgeschmissen und per Warteraumfreigabe oder IP-Sperre ausgesperrt. Das war bisher aber noch nicht nötig.

Um die Privatsphäre zu schützen, machen wir während der Party keine Aufnahmen/Screenshots (außer nach Absprache).

Wer digital über die Veranstaltung redet, gerne mit Hashtag #DisTanzParty

meine Tanzgeschichte

Tanzen ist Kommunikation. Ein Medium, um die Welt um mich herum in Bewegung umzusetzen.

Tanzen ist eine Leidenschaft, die mich schon lange begleitet. Mit 13 Jahren habe ich angefangen in einer Marburger Tanzschule Kurse zu belegen. Walzer, Jive, Tango, Samba, … Das Welttanzprogramm eben. Nach den üblichen Grund- und Medaillenkursen habe ich etwa 6 Jahre in einer Art Tanzkreis mit anderen Jugendlichen komplexere Technik und Figurenfolgen gelernt. Neben Showtanzformationen war das individuelle Führen und kreative entwickeln neuer Abläufe mit unterschiedlichen Tanzpartnerinnen meine Spezialität. So habe ich gelernt, mit verschiedenen Damen Musik auszutanzen und Freude auszustrahlen.
Neben dem eigenen Tanzen habe ich viel hospitiert, Tanzdamen auf dem Weg durch die Medaillenprüfungen begleitet und dadurch Souveränität auf dem Parkett entwickelt. Auch außerhalb der Tanzschule wurde ich öfters nach Tipps gefragt und habe angefangen, Anfängern die Lust am Tanzen weiterzugeben. Bewusst habe ich nie eine professionelle Turnierlaufbahn eingeschlagen, weil mir Freude und Ausdruck immer wichtiger waren als das penible Gutachten eines Wertungsrichters, der vorgibt, wie etwas korrekt zu sein hat. Neben dem Sport war die Tanzschule auch mein zweites Zuhause. Dort verbrachte ich viel Zeit, traf Freunde und konnte Selbstbewusstsein tanken.

Später habe ich im Studium verstärkt Salsa getanzt. Gelernt habe ich auf Partys von Latinos und in Workshops. Paarweise, als Rueda oder Linedance. Die lockere Partystimmung mit schnellen koordinierten Bewegungen hat mich fasziniert. Dass ich stilistisch dabei sowohl cubanisch als auch NewYorkStyle geprägt bin, habe ich erst später rausgefunden.
Gleichzeitig habe ich beim argentinischen Tango (Salón und Nuevo) das Konzept des modularen „Führen und Folgen“ kennen gelernt. Es hat mich begeistert, wie aufgrund kleiner Nuancen der Körperhaltung harmonische Bewegungen als Paar entstehen. So konnte ich aus bestehenden Bewegungen aller Tänze neue Variationen bauen und flexibler mit tänzerischen Elementen umgehen.

Mein Drang zu extravaganten Elementen hat mich weiter zum sportlichen Rock’n’Roll geführt, wo schnelle Tanzfolgen mit akrobatischen Hebefiguren und stärkeren Show-Elementen kombiniert wurden. Über 10 Jahre war das mein Haupttanz, auch als Übungsleiter im Hochschulsport und Organisator von Trainingslagern, während andere Tänze eher als Hobby nebenher liefen. Da meine langjährige Rock’n’Roll-Partnerin in der gleichen Tanzschule aufgewachsen war wie ich, konnten wir bei Showeinlagen oft mehrere Tänze kombinieren und bei Medleys zwischen Stilen switchen.
In dieser Zeit verstärkten sich die Anfragen und ich konnte öfters Tanz-Workshops oder Wochenend-Freizeiten anbieten, bei denen die Teilnehmer teilweise über Jahre wieder kamen und so eine Gemeinschaft formten. Das Tanzen war für mich also Hobby, Beruf und Familie gleichzeitig. Eine enge Gemeinschaft, die mein Leben geprägt hat.

Dann musste ich durch einen Umzug nach Erfurt viele Dinge aufgeben und am neuen Ort auch tänzerisch neu Fuß fassen. Ich konnte Grundlagen der Gesellschaftstänze vertiefen und freie Improvisation in den Paartanz integrieren. Quasi als Steigerung des Tango Argentino fing ich an, auch in anderen Tänzen als Paar zu verschmelzen und die Musik in elementare Bewegungen zu interpretieren, die zwar grundlegend auf z.B. Rumbaelementen aufbauen, aber letztlich freie Improvisation im Paar sind. Eine sehr emotionale Spielart, die durch die enge Bindung des Paares einen speziellen Reiz hat.
Als etwas ruhigere Form des Rock’n’Roll begann ich mich mit dem Lindy Hop zu beschäftigen, der die freie (argentinische) Improvisation mit schnellen (nordamerikanischen) Bewegungen kombiniert und so faszinierende Lebensfreude mit tänzerischem Spiel verbinden kann.

Ebenso lernte ich sportliche Individualformen wie Zumba, Salsation oder Iron Body kennen, die tänzerische Elemente mit schweißtreibenden Aerobic-Übungen kombinieren und auf fröhlichen Kalorienverbrauch hin optimiert sind. Diese Gruppentänze eignen sich auch, um jede Disco zum Fitnessstudio umzuwidmen und durch Tanz körperlich fit zu bleiben.

Die Kombination aus individueller Bewegung und inhaltlich-musischer Interpretation eröffnete mir ein weiteres Feld der Tanz-Meditation. Nicht nur Musik, sondern auch Gefühle und Inhalte individuell in Bewegung umsetzen und dabei sich selber besser verstehen. Was in der Theologie über Bibliolog, Bibliodrama und andere theologisch-therapeutische Formate passiert, kann auch beim Tanzen helfen, sich in Personen hineinzuversetzen und Rollen zu spielen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Um das auch tänzerisch umzusetzen, braucht man einen geschützten Rahmen um die Scheu vor der Performance abzulegen. Man muss sich seiner selbst bewusst sein und gelernt haben, in sich hinein zu spüren. Dann ist es möglich, über Tanz und Körperlichkeit Geschichten tiefer zu erleben und künstlerisch umzusetzen.

Ich hoffe, dass ich tänzerisch noch nicht am Ende bin. Auf der einen Seite nehme ich in meiner Geschichte eine Entwicklung von festen Strukturen zu modularer Improvisation wahr, auf der anderen Seite spüre ich eine Sehnsucht, an bisherige Formate anzuknüpfen und Fäden wieder aufzunehmen. So kann die methodische Erkenntnis einer Tanz-Meditation vielleicht auch einen regelkonform getanzten Quickstep in seiner Performance bereichern, ein Discofox durch Showtanz-Elemente oder klassischer Tanzschul-Jive durch LindyHop- und Rock’n’Roll-Einlagen etwas mehr Würze bekommen.
Und letztlich geht es beim Tanzen immer um eine Kommunikation im Paar. Ganz egal, wie der Tanz am Ende heißt, habe ich die Sehnsucht mit Menschen ins tänzerische Gespräch zu kommen, das nicht auf vorher definierten Schritten, sondern auf ausgetanzten Emotionen basiert. Ich wünsche mir, tänzerisch auf dem Weg zu bleiben, neue und alte Formen zu verbinden, Freude zu erleben und weiterzugeben.
Ich möchte Tanzen! Vielleicht auch mit dir?

Was hat Tanzen mit Theologie zu tun?

Was hat Tanzen mit Theologie zu tun? Viel!

Im europäischen Gesellschaftstanz schweben Mann und Frau gemeinsam übers Parkett. Die Führende Person (meist Herr) animiert die Geführte (meist Dame) durch gekonnte Impulse zu atemberaubenden Drehungen. Im Rock’n’Roll katapultieren sich die Partner sogar gegen die Erdanziehungskraft in luftigen Höhen.  Und selbst beim Freien und flexiblen Disco-Tanz gibt meist eine Person Bewegungen vor, auf die andere reagieren und sich gegenseitig abstimmen. Führen und geführt werden ist ein elementarer Bestandteil des Tanzens (komplett egozentrisch freier Tanz mal ausgenommen).

führenWenn ich (z.B. bei einer Tanz-Freizeit) über Führung nachdenke, merke ich, dass ich mein Gottesbild sehr gut in diesem Miteinander von Mann und Frau wiederfinde. Der Mann hat eine Raumorientierung, hört den Rhythmus und leitet seine Tanzpartnerin zu Bewegungen an, die zum vorhandenen Raum, der Musik und der Gesamtsituation passen. Die Frau ist also in dem Bild der Mensch. Sie wird nicht versklavt, nicht darauf festgelegt bestimmte Bewegung zu machen, aber wird durch sensible Impulse, Vorgaben und eine – mal stärkere mal schwächere – Leitung in Bahnen gelenkt, die für sie und die Gemeinschaft am Besten sind. Innerhalb dieses Rahmens kann sie sich frei entfalten, kann einen eigenen Stil entwickeln und den Tanz durch ihren Charakter individuell prägen. Aber sie tut gut daran, sich auf die Führung einzulassen und dem Führenden zu vertrauen.
Wenn man den Mann beim Tanzen mit Gott vergleicht, wird klar, dass Gott nicht im luftleeren Raum nach Gutdünken handelt, sondern dass auch er in einen Kontext eingebunden ist. Er überblickt, wo Platz ist, welche Bewegugnen auf die Musik passen und was er jetzt einleiten kann, um gleich eine passende Bewegung zu machen. Dabei kennt er Vorlieben und Möglichkeiten der Tanzpartnerin und versucht, sie gut dastehen zu lassen. Denn ein Tanzpartner, der sich nur selber verwirklicht und seine Partnerin blamiert, ist kein guter Tänzer. Wer aber (als Frau) spektakuläre Figuren tanzen möchte, wird schnell merken, dass man sich dafür einem Menschen anvertrauen muss. Nur so kann man schön Drehen oder sogar akrobatisch durch die Luft fliegen. Ohne Vertrauen in den Partner geht das nicht. Ebenso erlebt man auch im Glauben die besonderen Dinge nur, wenn man sich Gott anvertraut und ihn führen lässt.

beziehungTanzen ist ein Sinnbild für die Beziehung zwischen Gott und Mensch. Dass Tanzen dazu auch noch therapeutischen (Körpererfahrung, Gemeinschaft & Abgrenzung) und gesundheitlichen Wert (Muskelaufbau, Gelenkigkeit, Koordination, Gehirntraining) hat, macht es umso wertvoller. Gerade im Alter wird es ärztlich empfohlen und wer frühzeitig grundlegende Schritte und Bewegungen lernt, kann später darauf zurückgreifen.

kommunikationNicht umsonst ist der Tanz eine sehr frühe Form menschlicher Kommunikation. Biblische Belege zeigen, dass er als Ausdruck von Freude und Dankbarkeit im Volk Israel fest verankert war und auch in Jesu Gleichnissen wird gefeiert und getanzt, wenn man sich freut (z.B. Ex 15,20, 2.Sam 6,16, Lk 15,25). Eine positive Theologie wird den Lebensgenuss immer über die Abstinenz stellen. Natürlich ist ein zeitweiser Verzicht als bewusste Körperübung oder Fokussierung nicht verkehrt, aber als ganzheitlich gesundes Konzept gehören Freude und körperlicher Ausdruck zusammen. Denn wenn wir Emotionen in Bewegung umsetzen, können wir uns tiefer und ehrlicher ausdrücken als bei rein innerlicher Freude.

Meine Erfahrungen in den letzten 22 Jahren sind, dass Menschen durch den Tanz positiv geprägt werden, Traumata überwinden können, sich körperlich positiv entwickeln, ein sicheres Auftreten und positives Selbstwertgefühl entwickeln und insgesamt eine ausgeglichenere Persönlichkeit werden. Nicht  jedem liegt dabei das gleiche und es gibt durchaus auch Menschen, die zumindest dem standardisierten Paartanz den Rücken kehren, weil er ihnen mehr Probleme bereitet als er löst. Das ist OK. Für viele andere werden Beziehungen tiefer und harmonischer, berufliche Stresssituationen leichter zu ertragen und die Gottesbeziehung entspannter, weil man auch zu Fehlern und Unperfektheit stehen kann.

tanz-freizeitTheologisch gesehen ist Tanzen also sinnvoll und wertvoll für den einzelnen und die Gemeinschaft. Ob und welche Form für jemanden individuell passend ist, kann sich unterscheiden. Wer möchte, dem zeige ich erste Grundschritte in angenehmer Atmosphäre, um mal ganz stressfrei reinzuschnuppern:
Im Mai 2015 in Rotenburg (Fulda), im Oktober in Altenkirchen (Westerwald), im Februar und November im KnüllHouse (Neukirchen). Außerdem regelmäßig im Marburger Unisport und bei Lehrgängen in Rostock und Marburg. Mehr Infos: www.tanz-freizeit.de