Messe - rp oder kt?

rp24 – Ist die re:publica der bessere Kirchentag?

Das war eine volle Woche! Erst war ich 3 Tage in Berlin bei der re:publica, einer der größten Digital-Gesellschafts-Konferenzen Deutschlands, danach war der Katholikentag zu Gast in Erfurt. Beides erstaunlich ähnliche Veranstaltungen mit ganz anderem Look & Feel. Ich versuche mal einen Vergleich aus meiner Sicht als Medientheologe.

Ich bin ja im Herzen Eventorganisator und mag es deshalb, große Systeme zu analysieren. Wie schafft man es, tausende Menschen zu bewegen, zu bespielen, ins Gespräch und in Begegnung zu bringen. Wie werden Inhalte, Gefühle, Kreativprozesse kommuniziert, wie integriert man auch marginale Gruppen und schafft für alle Teilnehmenden eine runde Erfahrung. Und bei allem, was man meckern kann, fand ich beide Veranstaltungen echt gelungen!

20.000 Dauerkarten (+3000 Tageskarten) wurden in Erfurt verkauft. Da viel OpenAir-Programm kostenfrei zugänglich war, gehen die Veranstalter sogar von 40.000 Menschen aus, die in Erfurt am Feiern waren. In Berlin waren es an 3 Tagen über 30.000 (also ca. 10T pro Tag). Vom Katholikentag kenne ich keine weiteren Statistiken. Gefühlt habe ich unerwartet viele Frauen und junge Menschen auf Bühnen und im Programmheft gesehen und in der Stadt waren alle Generationen vertreten, wobei die Boomer das Bild dominiert haben.
In Berlin ist diese Altersgruppe sicherlich unterrepräsentiert, dafür betonen die Veranstalter, dass ca. 60% der TN und SpeakerInnen weiblich waren, bei den 1000 Veranstaltungen auf 31 Bühnen Menschen aus 60 Ländern gesprochen haben und über 3500 Teenager zum Tincon-Programm dabei waren. Das sind quasi die Pfadfinder der Techblase, die früh an relevante Inhalte herangeführt werden und auch Erwachsenen neue Sichtweisen öffnen können.

Für das Wetter können beide Veranstaltungen nichts (auch wenn man der katholischen Kirche vielleicht einen besseren Draht zu Petrus zugetraut hätte) und trotz kleiner Improvisationen konnte ich bei beiden Events dem Regen trotzen und gutes Programm genießen. Nachhaltig haben beide Seiten auf Umhängebänder verzichtet. Bei der #rp24 gab es weiterhin Namensschilder aus Pappe an Kordel zum Umhängen und Armbänder als Eintrittsnachweis. Beim kt wurde die Identität nur über die App festgestellt (wenn die Datenbank denn lief…), oder über einen optionalen Katholikentagsschal, der für viele immer noch identitätsstiftende Reliquie ist. Beide setzen also auf Erkennbarkeit bei gleichzeitiger Ressourcen-Sparsamkeit.

Bei beiden Events stand ich vor überfüllten Veranstaltungen, wobei die re:publica durch ein Live-Audio-System die meisten Bühnen zumindest akustisch erlebbar machte, wo der Katholikentag durch grimmige und unerbitterliche Ordner in Erinnerung bleibt. Alle drei Veranstaltungen, die mir zentral wichtig waren, waren überfüllt und bei einer konnte ich mit viel Überredungskunst noch Einlass bekommen. Sonst hätte ich für den Preis einer Dauerkarte lediglich kostenfrei zugängliche Konzerte erlebt. Nicht falsch verstehen: Ich feiere tatsächlich, was für Menschen in Erfurt alles frei nutzbar war. Das Raummanagement für die Menschen, die tatsächlich dafür bezahlt haben, war jedoch einfach nicht gut und führt so zu unnötigem Frust (die Ampel in der App hat auch oft nicht oder erst zu spät angezeigt, wo noch Platz wäre). Und eine Vorab-Information über öffentliche Angebote innerhalb der Stadt war quasi nicht vorhanden. Wer also nicht aktiv gesucht hat, wusste nicht, dass 4 Tage lang auf 4 Bühnen tolles Kulturprogramm und eine riesige Begegnungsmeile in der Innenstadt sein würden. Bei der re:publica war dagegen von Anfang an klar, dass das Programm von Bühne 1 komplett live gestreamt wird und im Nachhinein fast alle Inhalte auf YouTube bereitgestellt werden. 407 Videos und 103 Audios kann man also kostenfrei und im Nachhinein konsumieren. Beide Events leben sicherlich von der Begegnung vor Ort, die durch nichts zu ersetzen ist, aber medial ist Berlin da einfach in einer anderen Liga. Ich bin gespannt, ob der DEKT in Hannover nächstes Jahr da etwas mehr aktuelle Möglichkeiten aufgreift. Nürnberg hatte ja zumindest eine Hybridbühne, das könnte ein neuer Standard werden…

Inhaltlich hatte ich bei der rp 56 Veranstaltungen auf der WannaWatch-Liste, beim kt ca. 20. Natürlich nicht alles machbar, aber es zeigt, wo ich etwas mehr Zielgruppe bin. Ich erlebe mich als Bindeglied: In Berlin einer der wenigen Theologen in der Digitalbubble, in Erfurt einer der wenigen Digitalos in der Kirchenbubble. Eine Hand von Menschen habe ich bei beidem getroffen (oder wusste, dass sie da sind). Aber insgesamt sind die Inhalte und Formate bei Kirchens immer noch sehr klassisch, formal, gesettelt und wenig unerwartet. So titelt epd auch in der Abschlussmeldung mit dem unerwarteten Highlight: „Treffen ging mit Abschlussgottesdienst zu Ende“. bei der rp konnte ich unerwartete, junge, methodisch unterschiedliche und auch ganz klassische Formate erleben. Ja, auch da wird am Ende ganz klassisch und fast schon gottesdienstlich inszeniert dem Team gedankt, bevor alle gemeinsam mit Lied und Segen (in dem Fall traditionell Queens „Bohemians Rapsody“) die Veranstaltung beenden. Wenn man Opening, Closing und die Referate der vier Gründer zusammenschneidet, ist man formal nicht weit weg, vom Zeremoniell eines Kirchentages mit Grundsatzvotum am Anfang, bischöflichen Vorträgen und aufrüttelnden Apellen, Motivationsreden und Mahnungen, bevor man sich der Gemeinschaft versichert und bis zum nächsten Mal verabschiedet. Bei aller Kirchenferne und Institutionskritik lehnt sich die re:publica also – vermutlich unbewusst – erstaunlich viel an religiöse Strukturen an.
Inhaltlich kommen religiöse Themen und auch konservative Standpunkte (was ja nicht das gleiche ist) recht wenig vor. Ich vermute, im Orgateam gibt es da Vorbehalte, dass Kirche als Institution konservativ-machterhaltend auftreten würde, daher gibt man kirchlichen Menschen keine Bühne. Aber vor Ort sind sie doch dabei und bringen sich in Gesprächen und Rückmeldungen als offene und innovative Gesprächspartner ein. Ich habe mit einigen soziokulturellen Menschen wertvolle Zwischendurchgespräche geführt und die unterschiedlichen Erfahrungswelten sehr genossen. Der Katholikentag ist da deutlich offener für kritische und konservative Stimmen, bringt sie sogar auf großen Podien in Dialog. In Puncto Diskussionskultur haben die Christen also die Nase vorn, auch wenn diese Veranstaltungen nur analog stattfanden und daher wohl deutlich weniger Nachhall finden werden.

Welche Großveranstaltungen magst du und wo fühlst du dich wohl?

Und hier die Auflösung vom Instagram-Quiz: Menschen=RP | Kreuzweg=KT | Wahrheit=RP | VR-Plakat=KT | Telefondisko=RP | VR-Kirche=KT | Band Knallblech=KT | Detox=RP | Aussteller=RP


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