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Wie immersiv schaust du Serien?

Früher war es ja normal, dass im Fernsehen eine Folge pro Woche zur fixen Zeit ausgestrahlt wird. Das plant man ein, schaltet schon ein paar Minuten früher ein bzw. wenn man es versäumt, muss man sich erzählen lassen, was man verpasst hat. Mein Input richtet sich nach dem Angebot. Mittlerweile ist es durch Netflix, Mediatheken und Co üblich geworden, dass man unabhängig vom linearen Programm ganze Staffeln am Stück „binge“ sehen kann. Und die Folgen Rahmen an Anfang und Ende werden dabei immersiver, also fesselnder, spannungsreicher, die Cliffhanger machen es sehr schwer, nach einer Folge abzuschalten und Teaser vor dem Vorspann nehmen direkt gefangen. Ich erinnere mich, wie ich nachts um 1 mit Freunden unbedingt noch eine Folge „Westworld“ schauen musste, weil es unmöglich schien, so schlafen zu gehen und es um 2 nach der nächsten Folge genauso war. Selbst bei den internen Staffelfinalen von „The Expanse“ oder „Dark“ ist es nicht einfach, abzuschalten Die Serie will mit ungelösten Fragen in deinem Kopf bleiben. Für das Franchise sicher gut, für das Wohlbefinden der Zuschauer oft nicht leicht.

Die zweite Staffel „Upload“ habe ich an einem Abend durchgesehen. So wie ein langer Film mit kurzen Pinkelpausen alle 40 Minuten. Hinterher wirkt das Thema noch ein paar Tage nach und prägt meinen Alltag. Ich verbringe den Abend, das Wochenende oder eine Periode meines Lebens mit diesen Charakteren und ihren Fragen. Ich erlaube den Produzenten, meine Realität, mein Denken, meine Weltwahrnehmung zu prägen. Je immersiver eine Serie ist, desto wichtiger ist es, dass die Thematik zu meiner Lebenssituation passt. Nach einer Trennung konnte ich mit Sheriff Carter in „Eureka“ mitfiebern und als Jungakademiker hat „The Big Bang Theory“ viele meiner Lebensfragen behandelt. Als Medienwissenschaftler schaue ich gerne auch innovative deutsche Serien (wie die „Ku’damm“ Trilogie , „Tatortreiniger“, „Ijon Tichy“ oder „Liebe.Jetzt!“ ) oder lasse mich auf fremde Blickwinkel auf die Realität ein wie bei „Ich dich auch“ oder „Nix festes“. So lerne ich, mich selbst zu hinterfragen und zu überlegen, wo ich in der Story stehen würde. Bei „Bridgerton“ und „Game of Thrones“ kann ich Machart und Atmosphäre mitfühlen, habe mich aber gegen das aufsaugen entschieden, weil die Themen nicht zu meinem Leben gepasst haben. Da muss jeder auf die eigene Seele und Zeit achten und ehrlich entscheiden. „Squid Game“ war zum Beispiel nicht mein Stil, hat mich aber ethisch im letzten Drittel überrascht. „Mr. Robot“ hingegen hat mich in der zweiten Staffel verloren, weil ich versucht habe, eine Folge pro Woche zu sehen. Ganz oder gar nicht scheint für mich also zu passen.

Den sogenannten Belohnungsaufschub, wenn man Bedürfnisbefriedigung bewusst aufschiebt kann ich nicht so gut. Interessant ist daher, dass Amazon oder Sky bei einigen Serien bewusst nur eine neue Folge pro Woche als Premiere veröffentlichen. Gerade schaue ich „Star Trek: Picard“ und versuche, die Anspannung bis zum nächsten Wochenende auszuhalten. Das fällt beim Ausschalten nicht leicht. Aber ich beobachte, dass ich dann manchmal sogar 2 oder 3 Wochen warte (wenn am Wochenende anderes anliegt), um gleich mehrere Folgen am Stück sehen zu können. Ich lasse mich also fangen, entkomme der Immersion, um mich dann wieder ganz zu ergeben. Ob das gesund ist, will ich nicht bewerten. Aber es ist mein Lernweg zwischen Sucht und Selbstbestimmung. „Star Trek: Discovery“ auf Pluto mit festem Sendeplan habe ich abgebrochen (obwohl die Storyline und Einzelthemen mich ansprechen). Aber meinen Tagesablauf nach dem Sendeplan richten, war eine zu große Hürde und als ich um Weihnachten 2 Folgen verpasst hatte (es gibt bei pluto keine Mediathek Funktion) war ich raus.

Das ist jetzt eine persönliche Beobachtung, die nicht auf alle zutreffen muss, aber ich glaube, dass die Zeit des linearen TV vorbei ist, Menschen sich aber immer noch nach Gleichzeitigkeit von Erfahrungen sehnen und Mediatheken mit Premiereterminen dieses Dilemma treffend ansprechen.

Der Welt den schwarzen Spiegel vorhalten…

Heute stelle ich euch eine Methode zur spirituellen Medienrezeption als Kleingruppe vor.
Seit einigen Wochen treffen wir uns mit ein paar Freunden zu einem regelmäßigen Filmabend. Alle 14 Tage schauen wir eine Folge der Netflix-Serie „Black Mirror“ in einem christlichen Kontext. Das heißt, wir sehen die Episode, reden über unsere Gedanken dazu und fragen Gott nach seinen Ideen. Die Mischung aus medienwissenschaftlichem und geistlichem Zugang macht die tiefen Einzel-Episoden besonders spannend. Konkret schaut das folgendermaßen aus:

  1. Einstiegsfrage
    Thema persönlich anreißen
  2. Folge sehen
    Ohne viele Kommentare
  3. Offener Austausch:
    Was hast du gesehen?
    Wie geht es dir damit?
    Wo hast du ähnliches schon mal erlebt?
  4. Gebetsgemeinschaft
    Sag Gott, was dich bewegt und lass dich von ihm bewegen!

So ein Abend dauert etwa 3h, die kurzweilig vergehen und hinterlässt mich meist mit spannenden Gedanken, die mich durch die Woche begleiten. Die persönliche Einstiegsfrage gibt allen die Möglichkeit, sich persönlich auf das Thema einzustellen und etwas aus dem eigenen Leben zu teilen. Der offene Austausch fängt ganz trivial mit einer inhaltlichen Nacherzählung der Folge an, führt dann meist in diverse Exkurse und tiefe theologisch-philosophische Fragen. Die Gebetszeit beginnt mit eigenen freien Worten, umfasst eine längere Zeit, in der wir still sind und auf Gott hören (und ggf Eindrücke teilen) und endet mit einem Vater Unser. Nach diesem dichten Abend, finde die die alten Worte Jesu besonders tiefgründig, weil sie oft auf die Thematik des Abends gedeutet eine ganz individuelle Aussage bekommen.

Geplant ist es, bis nächsten Sommer alle 22 Folgen der Serie durchzusehen und hier jeweils einen kurzen Absatz über unsere geistlichen Wahrnehmungen zu schreiben. Die Inhaltsangaben finden sich auf Wikipedia und anderen Portalen, daher soll hier ein Link reichen. Wer das Konzept kopieren möchte, kann natürlich auch andere Serien (Star Trek Discovery, Rick & Morty, Westworld, Wasauchimmereuchgefällt) nutzen, um miteinander den Inhalt tiefer zu erleben. Ich glaube allerdings, dass Black Mirror durch die vielseitigen gesellschaftlichen Themen und die in sich geschlossenen Folgen gut geeignet ist.

Ich fiolge der kontinuierlichen Zählung von Wikipedia:

Folge 1: Der Wille des Volkes
Wie stark beeinflussen soziale Medien deine Entscheidungen?

  • Wir sind uns bewusst, dass Medien manipulative Macht haben, aber oft nicht, wie stark sie ist. Das wird mit der Zeit eher noch stärker.
  • Impuls: Was verborgen ist, soll ans Licht kommen. Vor Menschen ist das nicht einfach, wenn Gott gut ist, muss das keine Angst machen.
  • Wir brauchen Prinzipien, um in herausfordernden Situationen weise entscheiden zu können statt nach öffentlicher Akzeptanz zu gieren.
  • Zusage: Du bist ein geliebtes Kind Gottes, ganz egal, was du tust. Dieses Bewusstsein kann helfen, auch gegen Widerstände zur eigenen Einstellung zu stehen und mit Rückgrat durchs Leben zu gehen.

Folge 2: Das Leben als Spiel
Was hast du schon in Onlinespiele investiert?

  • Es ist gut, sich für andere aufzuopfern, solange man weiß, wofür man sich einsetzt. Manchem Kaufanreiz sollte man besser widerstehen!
  • Womit ich mich berieseln lasse, das prägt meine GEdanken und Handlungen. Gut, wenn wir das eigenständig entscheiden können!
  • Gott ist wie ein Versandhandel mit unendlich großer Auswahl. Du musst nur das richtige bestellen. Der Heilige Geist ist in dem Bild eine Kaufberatung, was für unsere Situation hilfreich sein kann.
  • selbstkritische Frage: Was ist meine Show? Wo wollte ich die Welt verändern und bin ein Teil des Systems ohne eigenes Feuer geworden?

Folge 3: Das transparente Ich
Erinnere dich an eine besondere Situation der letzten Jahre. Was ist dir ganz klar vor Augen? Was nur noch schemenhaft? Wo bist du froh, dich nicht mehr (genau) zu erinnern?

  • Bei einigen Kindheitstraumata ist es gut, dass man keine Details mehr kennt oder sogar ganz vergessen kann. Nicht immer bringt eine Aufarbeitung wirklich mehr Frieden.
  • Es ist erschreckend, welches Missbrauchspotential besteht, wenn alle Privatgespräche und jeder Blick getrackt werden. Was darf der Chef, die Polizei, ein Sicherheitssystem kennen und nutzen? Was teilt man mit Freunden oder dem/der Partner:in? Führt das zu mehr Ehrlichkeit oder zu unauthentischem Leben?
  • Gott sieht alles, was wir tun und denken (Psalm 139), aber dieses Privileg sollte kein Mensch haben.
  • Bei allen technischen Möglichkeiten, etwas zu wissen, darf das gegenseitige Vertrauen nicht verloren gehen.

Folge 4: Wiedergänger
Hast du schonmal einen wichtigen Menschen verloren? Wie erinnerst du dich bzw was würdest du tun, um die Erinnerung wachzuhalten?

  • Gemeinsame Unternehmungen, Erlebnisse nacherleben & alte Fotos/Filme betrachten, hält jemanden „am Leben“
  • Es ist auch wichtig, jemanden loszulassen, der nicht mehr da ist. Wer klammert, bleibt selber stehen. Wer loslässt, kann weiterkommen.
  • Ist nicht Jesus auch gestorben und wieder lebendig aufgetreten? Er hat seinen Freunden die Möglichkeit gegeben, die neue Situation zu verstehen und sich einzulassen, war dann aber wirklich weg.
  • Wenn wir beten, dann „reden“ wir mit Gott, bekommen ggf sogar Antwort, das ist nicht weit weg von dem Algorithmus im Film.
  • Gott ist unser Schöpfer, wir sind Schöpfer von KI/Maschinen/Systemen. Welche Rechte haben wir dann? Wie werden sie uns erleben? Als allmächtigen udn liebevollen Schöpfer oder als kriegerischen Rachegott, der gerade alles zerstört?
  • Was ist Leben? Was ist Tod? Kann ein Roboter eine Seele/ein Ego haben? Kann er sich eigenständig weiterentwickeln und wie viel Freiheit geben wir einer Kopie eines realen Menschen?
  • Wem gehören solche Daten? Wer darf entscheiden, dass/ob ein digitales Duplikat erstellt wird, wenn alle Daten digital verfügbar sind?
  • Impuls: Wir sollten viel Kleinteiliger ein digitales Testament verfassen und uns zu solchen Themen äußern! Was soll mit unseren digitalen Datenspuren geschehen? löschen? einfrieren? weiterspinnen?
  • „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ (Psalm 90) bedeutet: Es ist wichtig, dass wir sterblich sind und uns dessen bewusst sind. Wie wir mit dem eigenen Ende umgehen, ist damit nicht final gesagt, aber wir können versuchen, aus Gottes Sicht darauf zu schauen, um wise zu entscheiden!

Miracle Workers – Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein

Ich mag ja Filme und Serien, die sich mit dem christlichen Glauben befassen. Selbst, wenn die gezeichneten Gottesbilder oft abstruse Züge annehmen und man den Zynismus der Autoren spüren kann, helfen sie, das eigene Gottessbild zu schärfen. Mit diesem Blick habe ich kürzlich „Miracle Workers“ gesehen.

Die amerikanische Klamaukserie (TNT Comedy 2019) stellt Gottes Regiment und den Vorgang geistlicher Kommunikation als globale Firma mit vielen Abteilungen im Stil der 1980er Jahre dar. Es gibt Spezialisten für Flora & Fauna, Routinen für Naturkatastrophen und Darmdurchbrüche und Methoden zur Berufung von Propheten. Im Schwerpunkt beleuchtet die Serie allerdings die Abteilung für Gebetsanliegen. Für jedes gesendete Gebet ist ein „Engel“ zuständig, nur besonders schwere Fälle werden als „unmöglich“ an Gott weitergeleitet. Dieser Gott wird allerdings als gefrusteter zynischer Bournout-Kandidat gezeichnet, der keinen Bock mehr auf das Ganze hat, die Erde sprengen und ein Restaurant eröffnen möchte. Soweit eine interessante Grundannahme, die die Frage ernst nimmt, warum es so viel Leid und Chaos in der Welt gibt. Die traditionell christliche Deutung des allmächtigen und liebenden Vaters im Himmel wird gebrochen und menschliches Leid als Folge himmlischer Inkonpetenz dargestellt.

Gleichzeitig werden typische Arbeitsweltphänomene auf eine himmlische Organisation gespiegelt, die ja für so viel Arbeit sicherlich auch ähnliche Strukturen haben müsse. Nervige Formulare, pickierte Vorzimmerdamen, Rohrpostanlagen und Strukturen, die selbst der Chef nicht mehr durchschaut. Schade finde ich, dass dabei sowohl Gott selbst als auch die meisten Mitarbeiter als ziehmlich unsensible und unfähige Trampeltiere gezeigt werden und eigentlich niemand wirklich wohlwollend mit der Erde umgeht. Stattdessen finden wir uns bereits in einer sich andeutenden Apokalypse wieder, in der Mitarbeiter sich nach neuen Jobs in anderen Sonnensystemen umsehen und mehr Energie in Abschiedsparties als die eigentliche Arbeit stecken. Nur ein Engel ist davon überzeugt, die Erde noch retten zu können und schafft es, Gott zu einer Wette zu überreden: Wenn ein „unmögliches“ Gebetsanliegen in zwei Wochen erfolgreich bearbeitet werden kann, stimmt Gott zu, die Erde zu verschohnen. Was statt der Apokalypse dann geplant ist, bleibt offen, da niemand ernsthaft damit rechnet.

Wenn man sich mit diesem düsteren Kosmologiekonzept angefreundet hat, wird im Verlauf der Serie deutlich, dass das Erfüllen eines Gebetsanliegens tatsächlich nicht so einfach ist. Unscheinbare Signale werden oft übersehen, deutlichere Hinweise rufen dafür globale Katastrophen hervor und trotz guter Planung sind Menschen permanent unzähligen Einflüssen ausgesetzt und handeln am Ende doch nach ihrem eigenen Kopf. So wird es verständlich, dass es gar nicht so einfach für Gott ist, es jedem recht zu machen. Abgesehen davon, dass Menschen oft unbedachte Wünsche äußern statt reflektiert und weitsichtig zu beten. Es wird kein Gott gezeigt, der Menschen das langfristig bessere zukommen lässt. Stattdessen erleben wir einen Gott, der aus einer ambitionierten Götterfamilie stammt und wegen seinen unkonventionellen Ideen und mangelhaften Umsetzung gemobbt wird. Die gutbürgerlichen Konventionen sehen Wesen mit freiem Willen einfach nicht vor. Eltern und Geschwister hingegen können mit ihren Welten ohne Krieg und mit florierenden Aktienkursen glänzen. Die Erde und ihre freien Menschen wären  eben doch nur ein Abbild ihres unfähigen Schöpfers. Statt um Startkapital für die neue Restaurant-Idee zu bitten motivert diese Abfuhr Gott jedoch, sich doch nochmal für sein ehemaliges Herzensprojekt einzusetzen und die Welt mit ihren komischen freien Wesen zu retten. Es scheint, wie eine Bekehrung Gottes zu seiner Schöpfung, freilich ohne einen konkreten Plan zu präsentieren, wie es weitergehen kann. Aber am Ende der ersten Staffel ist zumindest fürs Erste die Zerstörung der Erde abgewendet und das eine erfolgreich beantwortete Gebetsanliegen könnte einen Motivationsschub auslösen, um den Rest auch noch in der Griff zu bekommen.

Theologisch bleibt die Serie dabei sehr oberflächlich, zeigt keine wirklichen Lösungen für ethische Dilemmata und führt einen eher unglaubwürdigen Pantheon ein. Ein wenig erkennt man das Grundmuster von Bruce Allmächtig, in dem Gott einem Menschen offenbart, wie viel Stress ihm die täglichen Gebete machen. Vom Stil und Humor bleibt die Serie aber eher auf trivialem Standup-Niveau stehen.
Am Ende bleibt bei mir der Gedanke hängen, warum wir den transzendenten Schöpfer, über den wir streng genommen als Menschen nichts sagen können, per se als perfektes Wesen annehmen und nicht vielmehr menschlich-unperfekt. Zumindest wenn wir seine Abbilder sind…