Surrender – I did it – U2?

Ich hoffe, ihr verzeiht das platte Wortspiel im Titel, aber es liegt auf der Hand, das Bono bei der Benennung seiner Autobiographie (und dem dazugehörigen Album) ganz ähnlich gedacht hat. Im irischen Dublin mit katholisch-anglikanischen Eltern aufgewachsen war der Sänger vom konservativen Christentum geprägt, erzählt von religiösen Erfahrungen und zitiert in jedem Kapitel zahlreiche Bibelverse. Seine Hingabe sowohl an den Glauben als auch die Musik ist spürbar. Auch wenn die beiden Pole immer konkurrieren, hat er sich mit der Zeit theologisch weiterentwickelt und Kunst immer stärker als seine Form der Spiritualität entdeckt. Dennoch bleibt sein Gottesglaube die Ressource, die ihn durch Leid, Schmerz, Stress, Anfeindung und schwere Entscheidungen getragen hat. In 40 Songs beschreibt er seinen Werdegang und stellt den Leser:innen die kritischen Fragen, die sein Leben begleitet haben.

Und das auch musikalisch: Nach „Songs of Innocence“ (Lieder der Unschuld, 2014) und „Songs of Experience“ (Lieder der Erfahrung, 2017) zeigt „Songs of Surrender“ (Lieder der Hingabe, 2022) wie hingebungsvoll Texte und Musik von Bono und seiner musikalischen Familie seit jeher sind. Und auch wenn ich kein Rockstar bin, würde ich mir wünschen, nach 47 Jahren leidenschaftlicher Berufserfahrung von Unschuld über Erfahrung zur Hingabe (meiner Gabe an Gott?) zu kommen.

Ich muss ja zu meiner Schande gestehen, dass ich U2 erst jetzt richtig lieben lerne, wo ich Hintergründe zu den Liedern kenne und die Brisanz z.B. von „Miss Sarajevo“ oder „Where the Streets have no name“ einordnen kann. Für Bono ist sozialgesellschaftliches Engagement gelebte Nächstenliebe und er nutzt die prominente Stellung der Band, um sich für Entschuldung, AIDS-Hilfe, Frieden, weltweite und lokale Gerechtigkeit einzusetzen. Dabei wird er durchaus politisch ohne sich für einzelne Lager oder Konzerne einspannen zu lassen.

Das aktuelle Album interpretiert alte U2-Songs neu. Zum Tanzen mag ich die rockigen Originale lieber als die Lagerfeuerromantik der Neupräsentation. Aber die gibt es ja weiterhin. Und jetzt eben auch in nachdenklichem Unplugged-Sound. Spannend ist es allemal, wenn eine ehemalige Alternative-Punkband nach Rock, Jazz, Pop und Elektroeinflüssen auch die ruhigen Klänge bedienen kann. Aber lies selbst bzw. hör rein. Danach lass uns gerne ins Gespräch kommen über Glaube, Kunst und Hingabe an das, wofür das Herz brennt. Surrender.


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