Die (evangelische) Kirche ist in der Digitalisierungsdebatte angekommen! Seit März 2017 brodelt es unter dem Hashtag #DigitaleKirche. Zuerst unterschwellig, aber seit der letzten Herbstsynode hat die EKD einen Sondierungs-Prozess begonnen. Über den Sommer wurde gesammelt, sortiert und gefeilt und bei dieser Synode wird über die Einrichtung von Planstellen geredet und aller Voraussicht nach auch mal Geld in die Hand genommen, um deutschlandweit Strukturen zu schaffen. Ob dabei ein kleiner Millionenbetrag viel Geld für einen hellen Leuchtturm ist oder „ein Groschen pro Mitglied“ eher einem Teelicht gleicht, kann man diskutieren. Aber es ist gut, dass sich etwas tut!
Ein Vorreiter ist der „EKD-Medienbischof“ (das ist kein offizielles Amt, aber lässt sich gut vermarkten) Volker Jung, der als Basislektüre für Kirchenmenschen ein kleines Taschenbuch geschrieben hat.
Während die aktuellen Digitalisierungs-Literaten (Harari, Precht, Kling und Co) über die Frage nachsinnen, wie in Zukunft intelligente Maschinen menschlich werden (oder eben nicht) und unsere Zukunft teilweise durchaus dunkel zeichnen, stellt Jung in seinem Buch eine Haltung vor, wie wir „Digital Mensch bleiben“ können. Evangelisch.de zeichnet als gute Erstinfo den Inhalt nach und @ralpe hat bereits treffend geschildert, dass Jung zwar den Status Quo gut darstellt, aber wenig eigenen Standpunkt der Kirche beisteuert. Das entspricht wohl ganz gut dem aktuellen Status der EKD anfang November 2018.
Ich möchte dem Buch jedoch zugute halten, dass es tatsächlich die Digitalisierungsdebatte in die kirchliche Landschaft in Kirchensprache übersetzt und für kirchliche Menschen „vorkaut“. Keine sperrigen Statistiken, Fachwörter oder zu abgedrehte Theorien. Dafür bischöflich-seelsorgerlich augearbeitet ein durchaus brauchbarer Überblick, welche Themen die Gesellschaft und damit uns als Kirche im Feld der Digitalisierung interessieren sollten. Ergebnis: Das Buch liest sich leicht, verstört nur wenig und öffnet die Tür zur Digitalen Welt in sanften Schüben, sodass viele sich trauen können, einen Blick hinein zu werfen.
Und zwischendurch argumentiert Jung immer wieder aus der Bibel, von der Geschöpflichkeit des Menschen, der selber die Welt gestaltet ohne dabei Gott gleich zu werden. Und für unseren Umgang mit digitalen Medien führt er am Ende sogar das Doppelgebot der Liebe als Hauptkriterium an und verortet damit kirchlichen Medieneinsatz im christlichen Menschenbild, sich selber, den nächsten und Gott wertschätzend zu begegnen. Dieser Schritt scheint mir wichtig, weil die humanistische Selbstoptimierung (die digital oft tonangebend scheint) den Menschen leicht als minderwertige Maschine erscheinen lässt, die sich im Zuge der Digitalisierung eben zum Cyborg entwickeln muss, um mitzuhalten. Mit Volker Jung würde ich mich freuen, wenn bei allem Segen, den die Digitalisierung uns bringt, das menschliche am Menschen seinen Wert nicht verliert und wir bei der zukünftigen Programmierung von Maschinen nicht nur richtige Antworten, sondern auch einen „menschlichen Umgang“ miteinander einbauen könnten (den allerdings auch die global und lokal verantwortlichen Menschen erstmal wieder entdecken müssten). Um bei dem Thema eine ernstzunehmende Stimme zu bekommen, müsste die EKD allerdings über einen Medienpool und einen Gottesdienstfinder hinaus einen echten ethischen Diskurs über den Wert des Menschlichen und des Künstlichen führen, um herauszufinden, wie wir tatsächlich in Zukunft „Digital Mensch bleiben“ (oder werden?) können.
Am Ende bleibt zu hoffen, dass die #DigitaleKirche nicht nur Formate und Kanäle der Digitalen Gesellschaft adaptiert (auch das ist wichtig!), sondern die Chance nutzt, geistlich lebendig und nah dran an den Menschen zu sein. Landeskirchen und EKD werden weitgehend als abgehobene Institutionen wahrgenommen und passen nicht in eine Kommunikationsstruktur, die Menschen direkt miteinander verbindet. Wenn wir aber schon ohne Stellvertreter direkt mit Gott im Himmel kommunizieren, können wir ruhig auch mit seinen Kindern auf der Erde auf Augenhöhe (von Mensch zu Mensch) kommunizieren. Schön, wenn die EKD-Synode das nächste Woche mit im Blick hat.