Wasser des Lebens – Whiskygedanken zur Jahreslosung

Wenn die Jahreslosung 2018 grafisch umgesetzt wird, sieht man oft fröhliche Menschen mit einem Wasserhahn oder einem Wasserglas. Passt das wirklich zum Text?

„Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“ (Off 21,6)

In einem Endzeitszenario kommt nach dem epischen Kampf zwischen Gut und Böse die Stadt Gottes auf die Erde, um Frieden zu schaffen. Gott bietet den bedürftigen Menschen etwas an, das ihre tiefsten Bedürfnisse auf Dauer befriedigen kann. Lebendiges Wasser oder Wasser des Lebens ist dabei ein Bild, das auch Jesus schon benutzt, um einer gesellschaftlich isolierten Frau zu helfen, wieder Teil einer Gemeinschaft zu sein und somit ihre tiefsten sozialen Nöte zu stillen (Joh 4).

Es geht also nicht nur um ne Limo zwischendurch, auch nicht um den täglichen Durst nach Flüssigkeit, sondern um ganzheitliche Bedürfnisbefriedigung. Und diese Bedürfnisse können sehr unterschiedlich sein. Es kann um Nahrung, um Getränke, um soziale oder berufliche Anerkennung oder um ganz andere Bedürfnisse gehen. Viele Süchte basieren darauf, dass eine soziale Not nicht gestillt wird und stattdessen kurzfristige Ersatzbefriedigungen gesucht werden. Wer menschliche Anerkennung sucht, kann süchtig nach beruflichem Erfolg werden oder wer menschliche Nähe sucht kann sich in wenig erfüllenden sexuellen Abenteuern verlieren ohne die eigentliche sehnsucht zu stillen. Ebenso sind Alkohol, Tabak und andere Rauschmittel als Sehnsuchtsstiller keine guten Hilfen, da sie leicht zu Suchtmitteln werden können. Von daher ist der Bezug der Jahreslosung zum Whisky auch nicht falsch zu verstehen: Es soll nicht um den übermäßigen oder regelmäßigen Missbrauch gehen, sondern um gemäßigten Genuss.

Und für den bewussten Genuss eignet sich neben gutem Essen, schönen Kunstwerken und guter Musik auch guter Single Malt Whisky (*). Denn Whisky ist kein typisches Besäufnis-Getränk, das man schnell auf Ex trinkt, um dem Geschmack wenig Zeit zu geben, sich zu entfalten, sondern Whisky wird langsam und aufmerksam genossen.

Mich hat die Sicht von Wolfgang F. Rothe sehr beeindruckt, der in seinem Buch „Wasser des Lebens“ eine Einführung in die Spiritualität des Whiskys bietet. Namentlich ist er Fan des schottischen Single Malt Whisky, aber mittlerweile wird in zahlreichen Ländern guter Whisk(e)y produziert für den ich das gesagte ebenso zutreffend finde (insbesondere gilt es auch für einige Blends, Boubon, Rye und ähnliche Whiskys).

Zu Beginn führt Rothe wie jedes gute Whiskybuch in die Ursprünge der Destillation im iro-schottischen Mönchtum ein und entwickelt den Namen Whisky aus dem schottisch-gälischen „uisge beathe“, was übersetzt „Wasser des Lebens“ bedeutet. Ein heilendes Getränk, das im 17. Jahrhundert als Medizin gereicht wurde und sich so von Klosterapotheken an Herrscherhöfe und Dorftavernen  verbreitet hat.

Im weiteren stellt er dar, mit wie viel Aufwand und Sorgfalt die Herstellung dieses „Spirits“ (was im englischen durchaus eine spirituelle Anspielung darstellt) abläuft und wie man mit allen Sinnen eine Verkostung inszenieren kann, um jede Nouance wahrzunehmen. Wenn man so also mit Auge, Nase, Tastsinn und schließlich dem Mund einen Schluck des lebendigen Wassers wahrgenommen hat, wird auch das Herz angerührt, was eine geistliche Offenbarung auslösen kann. Die Poesie mit der er dieses bewusste Genießen eines kleines Tropfens Whisky beschreibt, lässt Kennern bereits das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Im Whisky steckt durch seine klösterliche Historie, seine aufwändige Herstellung und die besondere Aufmerksamkeit, die man dem dem Genuss widmen sollte, eine Spiritualität, die dem bewussten geistlichen Lebensstil christlicher Klosterbrüder entspricht. Die Achtsamkeit mit der man dem guten Tropfen exklusive Aufmerksamkeit schenkt, kann auch für den Rest des Lebens sehr wohltuend wirken. Der Genuss mit dem man alle Sinne auf eine Sache ausrichtet, kann auch darüberhinaus ein Sinnbild sein für einen Lebensstil des Genusses. Wichtig: Es geht dabei nicht um verschwenderisches Leben im Überfluss oder gar Völlerei, sondern darum, das zu genießen, was Gott in seiner Schöpfung für die Menschen bereithält. Und das darf mehr als nur lebenserhaltende Nahrungsaufnehme sein, weil gerade das Besondere uns in die Anbetung dessen führen kann, der es gedeihen lässt.

Als letzten Punkt schreibt Rothe über die Reifezeit, die ein Whisky braucht, um vom einfachen Kornbrand zum besonderen Wässerchen zu werden. Denn bei allem technsichen Fortschritt kann die Reife durch nichts beschleunigt oder umgangen werden. Erst nach drei Jahren im Eichenfass darf man eine Spirituose Whisky nennen und nicht selten gönnt man ihr 10 oder mehr Jahre, um noch mehr Besonderheiten zu entwickeln. Dabei spielen neben dem eingefüllten Brand vor allem das Fass und die Lager-Umgebung eine Rolle. Ebenso brauchen auch in unserem Leben manche Prozesse der inneren Reifung Zeit. Gott kann in uns etwas anstoßen. Vielleicht haben wir eine gute Predigt gehört oder medial einen Gedanken aufgenommen, aber bis der Charakter sich verändert braucht es eine ganze Weile, um das theoretisch verstandene umzusetzen. Dabei ist auch unser direktes Umfeld in der wir täglich geprägt werden sowie das weitere Netzwerk, von dem Ideen an uns ran kommen ein entscheidender Faktor, welcher Geschmack am Ende rauskommt.

Unser Leben kann also auf lange Sicht reifen zu einem Genuss für achtsame Mitmenschen und so richtig gut werden, wie ein lange gereifter Whisky. In diesem Sinne sind wir auf einem Lebensweg auf dem wir von der Spiritualität des Whiskys einiges lernen können.
Die Jahreslosung sagt uns zu, dass Gott am Ende unsere Bedürfnisse stillen möchte. Solange wir also als Mensch auf der Erde noch gefangen sind in Wünschen, Bedürfnissen und Abhängigkeiten ist es gut, wenn wir uns von Gott inspirieren lassen und uns auf einen geistlichen Weg begeben. Denn Gott ist die Quelle von der das lebendige Wasser ausgeht und wenn wir uns an ihn halten, sind wir auf einem guten Weg.


(*) Ich bin mir bewusst, dass irischer und amerikanischer Whiskey mit „e“ geschrieben wird, verzichte aber aus Gründen der besseren Lesbarkeit im Text auf die Nennung der jeweiligen Doppelform und meine jeweils Whisky(e)s beider Schreibweisen.


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