Das arabische Schriftzeichen Nun ging um die Welt. Auf Facebook und Twitter, auf Postkarten und T-Shirts, bei Gebets-Flashmobs und in Diskussionen haben sich seit Sommer 2014 tausende Menschen hinter die Opfer von religiös motiviertem Terror gestellt und für Glaubensfreiheit protestiert. Auch ich habe damals mein Facebook Profilbild angepasst und den folgenden Text übernommen:
Arabisch „N“ für Nazarene, also „Nazarener/Christ“ ist das Zeichen, mit dem militante ISIS Anhänger die Häuser von Christen in Mossul markiert haben. Inzwischen mussten alle Christen Mossul verlassen.
Mein verändertes Profilbild soll zeigen: ich bin auch einer von denen, die mit diesem Jesus unterwegs sind und ich leide mit meinen Schwestern und Brüdern, die um ihres Glaubens willen verfolgt werden – im Irak, in Syrien, in Nigeria und an so vielen anderen Orten.
Und ich wünsche mir, dass sich Menschen muslimischen Glaubens von diesem barbarischen und unmenschlichen Verhalten distanzieren und es vorbehaltlos verurteilen – gerade diejenigen, die politische oder religiöse Verantwortung tragen.
Zugleich steht aber dieses „N“ auch dafür, dass NIEMAND um seines Glaubens willen verfolgt, mißhandelt, seiner Menschenrechte beraubt oder getötet werden soll.
Seit Sommer ist einige Zeit vergangen, das ganz große Medienecho ist verschwunden und auch die Profilbilder sind weitestgehend wieder echten Köpfen gewichen. Ich habe schon mehrfach nachgedacht, mein Gesicht wieder zu zeigen, weil das ja eigentlich der Sinn des Profilbildes ist und ich möchte, dass Leser meine Kommentare zuordnen können. Aber da die Situation gegen die ich protestiere in keinster Weise besser geworden ist, habe ich mich jedes Mal dagegen entschieden.
In den letzten Wochen kam mir jetzt allerdings der Gedanke, dass ich mich wunderbar hinter dem einmal gesetzten Profilbild verstecke und bei weiteren Schreckensmeldungen eher abschalte. Immer noch werden Menschen wegen ihres Glaubens verfolgt. Und als Abschluss meiner Nun-Foto-Zeit möchte ich deren Schicksal bewusst nochmal thematisieren. Ich lese von grausamen Massakern, Folter und Exekutionen aus Syrien, dem Lybanon, Ägypten, Sudan, Indien, Irak oder auch in anderer Form aus Frankreich, England, den USA und Deutschland. Egal ob es dabei um Alltags-Antisemitismus, um gefolterte Moslems in amerikanischen Gefängnissen, Selbstjustiz durch militante Abtreibungsgegnern oder Peitschenhiebe für das Aussprechen einer unbequemen Wahrheit geht. Ich fordere Glaubensfreiheit für Menschen aller Kulturen und Überzeugungen. Der Mainstream des Christentums hat in einem langen und blutigen Prozess gelernt, Liebe statt Hass zu verkünden, große Strömungen im Islam sind da scheinbar noch auf dem Weg (ich beziehe mit mit diesen Pauschalisierung nicht auf einzelne Gläubige, sondern auf das mir durch die Medien offenbarte Bild der Mehrheitsströhmungen). Auch Anhänger des Buddhismus, Hinduismus und Atheismus sind durchaus zu menschenverachtenden und gewalttätigen Repressionen in der Lage. Und für ein globales Miteinander ist es nötig, dass Extremisten auf allen Seiten lernen, einander stehen zu lassen.
Um auf die Situation verfolgter Christen hinzuweisen, informiert OpenDoors jährlich im Weltverfolgungsindex über Verfolgungssituationen.
Wenn ich nun also nicht mehr mit meinem geänderten Profilbild demonstriere trete ich immer noch für weltweite Glaubensfreiheit und Liebe statt Hass ein und gegen ein Vergessen oder Verharmlosen der bestialischen Grausamkeit, die auch heutzutage für viele Menschen bittere Realität ist.