In letzter Zeit habe ich ein wissenschaftliches Paper zur Realitätsfrage veröffentlicht und im popkulturellen Kontext ein Pecha Kucha dazu gehalten. Wie wirklich ist unsere Wirklichkeit? Welche alternativen Realitäten oder Bestandteile der Realität gibt es bereits und welche virtuellen Realitäten schaffen wir mit Geschichten, Kunst und Games? Und woher wissen wir eigentlich, dass unsere Realität real ist?

Wirklichkeit ist das, was auf uns einwirkt, was uns prägt, beeinflusst, etwas mit uns macht. Und das ist weit mehr als physische Dinge. Auch z.B. Geld, Liebe, Konzepte und Meinungen sind wirkmächtig und damit Realitäten. Daher rede ich lieber von physischer Realität und virtueller Realität als Unterscheidung der beiden Ebenen. Denn manchmal ist durchaus die kohlenstoffliche Welt ein Stück weit „greifbarer“ als die Welt in unseren Köpfen oder Datenspeichern. Bzw (um ein typisches Beispiel aufzugreifen) ich muss mich entscheiden, wo ich wann bin. Wenn ich beim gemeinsamen Treffen ständig am Handy hänge, um mit anderen Leuten zu kommunizieren, bin ich nicht hier. Das ist erstmal weder gut noch schlecht, sondern eine aktive Entscheidung mit Konsequenzen. Was ist mir gerade wichtig. Manchmal sind das gute Remote-Freunde oder digitale Zivilgesellschaft. Manchmal ist das aber auch bewusst die Offline-Gemeinschaft. Wir geben einer Beziehung einen Wert, indem wir uns exklusiv nur mit einer oder wenigen Person/en beschäftigen, statt allen zur Verfügung zu stehen. Und sich gegenseitig so viel Wirklichkeit zuzugestehen, schafft Wertschätzung. Da große SocialMedia-Konzerne mit Milliardenbudgets um unsere Aufmerksamkeit buhlen, sollten wir uns dem bewusst zeitweise entziehen, um eine gewisse digitale Souveränität zu behalten.

Als Theologe und Christ gehe ich dann noch eine Ebene weiter, bringe spirituelle Kommunikation ins Spiel. Zum einen wenn wir mit Gott reden und zum anderen wenn wir eine Antwort von ihm erwarten. Wer davon ausgeht, dass es eine transzendente Realität außerhalb unserer irdischen Existenz gibt, der kann auf unterschiedlicher Ebene mit dieser in Kontakt treten und es nicht zu tun, wäre töricht. Ebenso können wir, wenn wir virtuelle Welten schaffen (z.B. in Computerspielen) mit diesen in Kontakt treten. Spätestens, wenn selbst handelnde NPCs dort auf unsere Eingabe warten und mit uns kommunizieren wollen, werden wir Geschöpf und Schöpfer gleichzeitig. Und nach Stanislaw Lems These hinterfragt unsere Fähigkeit, VR-Bewohnern völlig real scheinende Simulationen zu erzeugen, die angenommene Tatsache, dass unsere Welt nicht auch nur ein Konstrukt sei. Ob es dann eine Spielwelt ist und Gott ein Gamer oder welche Form wir annehmen, wäre eine weitere Frage.

Wer mehr dazu lesen will, was das mit OneShot, Westworld, The 13th Floor und Pfingsten zu tun hat, dem sei mein (englisches) Vortragsscript und Präsentation zu dem Thema ans Herz gelegt.