„Was es schon gab bevor wir 15 werden, war schon immer so und ist offensichtlich völlig veraltet. Was neu dazu kommt, wenn wir zwischen 15 und 35 sind, ist bahnbrechend revolutionär und wird die Welt retten. Und alles, was entwickelt wird, nachdem wir 35 geworden sind, ist neumodischer Quatsch, der die Gesellschaft ruinieren wird.“
(sinngemäß zitiert nach Douglas Adams, Lachs im Zweifel)
Ein Zitat, das mir schon öfters begegnet ist. Wie gehen wir mit Neuentwicklungen in der Gesellschaft, Meinungen, Trends und Medien um? Oft bin ich erschrocken, wie gut es auch auf mein Leben passt: Als junger Wilder zwischen Gymnasium und Promotion habe ich mich zu Genüge an althergebrachten Traditionen, Zeitplänen und Lebenstheorien abgearbeitet. Ich wollte die Welt revolutionieren, habe ernsthaft große Pläne gesponnen und oft die ältere Generation verachtet, die keinen Blick für die neuen wegweisenden Ideen (das frühe Internet, digiteles Wissen, mobile Arbeitsweisen) hatte. Heute schau ich mir die „jungen Wilden“ an, erkenne, wie naiv und unreflektiert sie oft sind (und ich ich damals war) und belächele, wie sie mich dafür belächeln, an meinen für sie alten Werten und Traditionen festzuhalten (z.B. Webdienste ohne kommerzielles Tracking, Textsmilies oder Musik besitzen statt zu streamen).
Es kommt dabei nicht auf die exakten Zahlen 15 und 35 an (, auch wenn sie bei mir erstaunlich gut passen). Je nach Lebenssituation laufen solche Prozesse auch zeitversetzt ab. Es gibt im Leben aber oft diese drei Phasen: Wir wachsen mit einer Normalität auf, die wir erlernen, anerkennen und irgendwann kritisch hinterfragen. Warum kann man es denn nicht neu und anders machen? Dann bekommen wir Eigenständigkeit und machen es einfach anders. Und zwar oft radikal und prinzipiell. Die neuen Ideen sind ja vielleicht wirklich teilweise brauchbar, setzen sich durch und werden neue Normalität. Wir kultivieren sie, festigen sie und freuen uns, dass das Leben endlich ein wenig besser geworden ist.
Und dann kommt der spannende Punkt, wo es neue neue Ideen gibt. Wieder will jemand gegen das Alte aufbegehren, was wir doch „gerade erst“ mühsam gegen das Etablierte eingeführt hatten. Und dabei werden unsere guten Ideen, mühsamen Diskurse und weisen Kompromisse gar nicht mehr gewürdigt, sondern als altes Eisen ignoriert. Das verletzt natürlich das eigene Ego und führt nicht selten zu Verstockung als Schutz vor Identitätsverlust.
So war es als die Newsgroups (bzw. Foren und später StudiVZ) von Facebook abgelöst wurden und als Instagram neuer Platzhirsch in digitaler Kommunikation wurde. So war es auch vorher schon als „das Internet“ dem Rundfunk und dieser den etablierten Printmedien den Rang abgelaufen hat. Und auch in Zukunft wird es neue Mainstream-Kommunikationsmittel geben, die „dein Lieblingsmedium“ überflüssig machen oder deinen Way of Life hinterfragen. Parallel wird es vermutlich sogar mehrere neue Trends, Moden, Theorien und Welterklärungsmuster geben, die jeweils althergebrachtes über den Haufen werfen und verletzte Alt-Innovatoren erzeugen.
Manchmal erlebe ich mich noch als den Reformer, anderenorts bereits als Bewahrer. Wichtig ist mir als reflektiertem Medienmenschen, dass ich fair mit den jeweils anderen Meinungen umgehe, ohne meine Erkenntnis zu verleugnen. Das bedeutet, dass ich erstmal zuhöre, was frühere Generationen dazu gebracht hat, etwas so zu machen wie ich es vorgefunden habe. Dann kann ich meine Wahrnehmung als eine Station im Wandel der Zeit begreifen. Ich nehme aktuelle Neuentwicklungen als positive Möglichkeiten ernst und prüfe gleichzeitig kritisch, wo auch Gefahren liegen. Und ich gestehe nachfolgenden Generationen zu, dass sie eigene neue Herangehensweisen finden, die sich komplett von meinen unterscheiden können, ohne dass sie mich damit in Frage stellen.
Klar, ich wünsche mir, dass „die Alten“ mir ihre Lebensweise gut erklären und mich in meiner Andersartigkeit akzeptieren. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass „die Jungen“ sich interessieren und von meiner Erkenntnis lernen wollen, bevor ich sie ihr eigenes Ding machen lasse. Wenn ich mir bewusst werde, wo auch ich beide Rollen inne habe, kann ich entspannter auf die jeweils anderen schauen ohne Entwicklungen zu blockieren und ohne meine Meinung zurückzuhalten. Das wünsche ich mir am meisten von allen Seiten. So können wir uns als Gesellschaft gegenseitig unterstützen und achtsam miteinander umgehen.